3. ExpertInnenlectures WS 06/07: „Gender und eLearning“
Heike Wiesner (FHW Berlin, Harriet Taylor Mill-Insitut)
Corinna Bath (Institute for Advanced Studies on Science Technology and Society (IAS-STS) in Graz)
Moderation: Andreas Spiegl (Akademie der bildenden Künste Wien)
Gender Aspekte in multimedialem Lehren und Lernen
Der Vortrag geht der Frage nach, inwieweit die Kategorie „Geschlecht“ sich auf Aufbau, Struktur und Durchführung von virtuellen Lern- und Lehrumgebungen auswirkt. Er bietet einen Einblick in das Konzept Gender und zeigt auf, wie es gelingen kann, Erfolgskriterien für Chancengleichheit im Bereich multimedialen Lehrens und Lernens zu entwickeln und umzusetzen. Die Kategorie „Geschlecht“ in virtuelle Lehr- und Lernumgebungen systematisch einzuführen, beinhaltet somit das Anliegen geschlechterbewusste Sichtweisen in alle Lernmodule und Lerneinheiten einzubeziehen. Was sind Kriterien für eine gendersensible virtuelle Lehre? Wie lassen sich Gender-Themen in eine Fachdisziplin integrieren, deren inhaltliche Ausrichtung auch auf technische Handlungsfelder trifft, die ohne sichtbare Bezugnahme zur Kategorie Gender entwickelt wurden? Entscheidend für die Akzeptanz und die kreative Nutzung von Multimedia im Hochschulkontext ist, dass sich die Nutzenden mit der Technologie komfortabel und vertraut fühlen. Das setzt aber auch voraus, dass eigene Gestaltungsmöglichkeiten konkret erfahrbar werden. Wenn die stark gesellschaftlich geschlechtsdualistische Trennung in vielen Arbeitskontexten zwischen den technisch Versierten einerseits und den technisch weniger Versierten nicht in Bewegung gebracht werden kann, so ist zu befürchten, dass virtuelle Angebote nicht zu einer Überwindung, sondern zu einer Verfestigung geschlechtsdualistischer Zugänge zur Informationstechnik führen wird. Eine genderbewusste Konzeption virtueller Lehr- und Lernangebote kann diesem Prozess konstruktiv entgegenwirken.
Zur Vergeschlechtlichung technologischer Artefakte und den Möglichkeiten eines De-Gendering
Die Frage, ob Benutzungsschnittstellen vergeschlechtlicht sind, ruft zumeist zwei Reaktionen hervor. Entweder wird Technik prinzipiell als neutral deklariert oder es werden signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede bei Nutzung von Schnittstellen unterstellt. Während die erste Position auf einem Wissenschaftsideal von rationaler, objektiver und wertfreier Forschung basiert, greift die zweite häufig auf vermeintlich körperlich begründete Differenzen zwischen Frauen und Männern zurück.
Beide Auffassungen wurden von der Wissenschafts- und Technikforschung, Gesellschaftstheorie und den Gender Studies widerlegt. Es gibt kein „Design from nowhere“, wie die Wissenschaftsforscherin Lucy Suchman betont. Artefakte sind nicht „unschuldig“, sondern stets in gesellschaftlich-hierarchischen Machtstrukturen verortet. Subjektivität, politische Interessen oder vermeintliche Selbstverständnisse durchdringen soziale und wissenschaftliche Realitätskonstruktionen ebenso wie die ingenieurwissenschaftliche Konstruktion der Artefakte. So scheint auch die „Sichtbarkeit“ der gegenwärtig populär diskutierten Geschlechterdifferenzen (z.B. bei der Raumnavigation, bei sprachlichen Fähigkeiten oder der Nutzung verschiedener Hirnareale) stärker von zuvor festgesetzten Kriterien, Grenzwerten und Algorithmen abzuhängen als von den erzielten Messwerten selbst.
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Jakob Krameritsch, 23.11.06, 16:23
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